Abschiedsfahrt auf der Schuntertalbahn


Mitte August 1998: Noch rund einen Monat läuft der Zugbetrieb auf der alten Strecke Braunschweig - Fallersleben. Letzte Gelegenheit also, um noch einmal diese Bahn aus der Führerstandsperspektive zu erleben (und zu filmen!). An einem schönen sonnigen Tag Ende August bietet sich dazu die Gelegenheit, hat doch ein befreundeter Cargo-Lokführer einen passenden Dienst, nämlich am Nachmittag mit Lz 87285 vom Bw Braunschweig aus nach FallerslebenVW und am Abend zurück mit TGC 47313 bis Braunschweig Rbf. Die planmäßige 218 bietet gute Sicht auf die Strecke und einen Stromanschluß für die Videokamera. Gegen 16.50 verlassen wir also mit einer 2. Lok im Schlepp den Bereich des Betriebshofes Braunschweig und müssen schon nach der kurzen Fahrt durch den Tunnel im östlichen Bereich des Bahnhofsvorfeldes Hauptbahnhof mitten in der Steigung halten, da Stellwerk Ba sich kurzfristig eine andere Fahrstraße überlegt und das bereits gestellte Gleissperrsignal wieder zurücknimmt. Das Anfahren mit 160 Tonnen Lokomotiven mitten auf der Steilrampe gelingt auch einem geübten Lokführer nicht ohne leichtes Zurückrollen. Nach der üblichen Rückwärtsfahrt zum Bahnsteigbereich des Hauptbahnhofs können wir pünktlich in Richtung Gliesmarode starten. Die Fahrt verläuft glatt, Gliesmarode zeigt freie Fahrt durch Gleis 1, selbst im anschließenden Bahnhof Ost zeigen alle Signale grün. Wir scheinen gerade der einzige Zug auf dieser Strecke zu sein. Mit den zulässigen 60 km/h rollen wir durch die Schunterniederung Lehre entgegen, an verschiedenen Stellen warten schon Fotografen auf uns, man merkt, es geht dem Ende zu. In Lehre dann (endlich?) Halt auf dem Hauptgleis 11, vor Signal R11 kommen wir zum Stehen.Wenige Minuten später nähert sich von Fallersleben GC 59351, der langsam an uns vorbei nach Gleis 5 einrollt. Wir rätseln unterdessen, ob wir es bis zur RB 3874 von Wolfsburg noch bis Fallersleben schaffen oder nicht. Die Fahrdienstleiterin stellt Signal R11 auf Fahrt, um uns kurze Zeit später mittels Kreissignal am Bahnsteig wieder zum Stehen zu bringen. Wir sollen rückwärts hinter GC 59351 ins Gleis 5 zurücksetzen lautet der Auftrag, den wir dann prompt ausführen. Anschließend heißt es warten bis 17.26 die Regionalbahn aus Fallersleben einrollt, kurz darauf kommt auch RB 3875 aus Braunschweig an. Diese Begegnung hier ist planmäßig, nicht aber die Tatsache, daß noch 2 weitere Züge hier stehen. Insgesamt 5 Loks sind nun hier versammelt (unsere beiden 218, die des Güterzugs und die beiden Reisezug-216). Nachdem die beiden Personenzüge Lehre verlassen haben müssen wir noch an die 10 Minuten warten, bis die Strecke frei ist (Ehmen ist bekanntlich seit Sommer 1997 keine Blockstelle mehr, vorausfahrende Züge müssen also die Abzweigstelle Sülfeld erreicht haben). Nach fast 30min Aufenthalt geht die Fahrt weiter, die Steigung hinter Lehre macht unseren Loks natürlich keine Schwierigkeit und auf der anschließenden Neubaustrecke von 1942 erreichten wir die zulässigen 80km/h Höchstgeschwindigkeit im Handumdrehen. An der Abzweigung Sülfeld warten schon der nächste Güterzug auf die Fahrt Richtung Süden, wir tippen auf den verspäteten CB 67056. Schließlich ist Fallersleben erreicht, es geht auf die VW-Anschlußstrecke und nach wenigen Minuten erreichen wir den imposanten Werksbahnhof, wo wir die 2. Lok samt Lokführer erst einmal abhängen. Bis zur Abfahrt von TGC 47313 ist wie immer noch einige Zeit, die man sich mit dem Zuschauen der VW-Rangiervorgänge vertreibt. Als dann die Zugbegleitpapiere gebracht werden, wird es langsam Ernst. Mit gut 800 Tonnen am Haken schlängelt sich der Zug aus dem Bahnhof um mit den zulässigen 20km/h bis zum Bahnhof Fallersleben zu schleichen. Noch im Ausrollen auf den Gütergleisen erhalten wir grünes Licht Richtung Braunschweig. Ein Blick in den Fahrplan zeigt, daß es sich empfiehlt möglichst zügig zu fahren, um RB 3879 von Braunschweig, der in Lehre auf uns warten muß, nicht allzusehr zu verspäten. Doch mit 800t Zugmasse ist dies leichter gesagt als getan. Trotz Fahrstufe 15 (und entsprechendem Sound) geht auf der Steigung Richtung Ehmen eher gemächlich voran, im ehemaligen Bahnhofsbereich haben wir immerhin 50km/h erreicht. Die Strecke wird hier flacher und bei Klein Brunsrode zeigt der Tacho 80km/h, bevor wir am Ende des Neubauabschnitts schon wieder bremsen müssen, denn hier beginnt das Gefälle in die Schunterniederung und bekanntlich darf die Geschwindigkeit an der Einfahrt Lehre wegen abzweigender Weichen max. 40km/h betragen (Fahrt über Gleis 2 und 5).Unser Triebfahrzeugführer nutzt hier soweit möglich die Getriebebremse der 218, unterstützt von der normalen Zugbremse. In Lehre kommt uns RB 3879 prompt über Gleis 5 entgegen, durch die Gleisführung hier ist es theoretisch möglich, eine "fliegende" Kreuzung ohne Zughalt durchzuführen. Auch wir kommen am Signal P11 nur ganz kurz noch zum Halten, bevor es weitergehen kann. Die Fahrt mit dem langen Zug durch die engen Gleisbögen ist beim Blick aus dem Führerstandsfenster nach hinten immer wieder ein Erlebnis. Nach 11 Minuten kommt Braunschweig Ost in Sicht, alle Signale zeigen grün. Doch weit kommen wir nicht mehr: Das Einfahrsignal H von Gliesmarode zeigt halt, in der engen Verbindungskurve kommen wir zum Stehen. RB 96628 nach Wittingen hat Vorrang und auch danach dauert es noch einige Minuten bis sich der Signalfügel bewegt. Die Anfahrt mit dem langen Zug in der engen Kurve mit der anschließenden Steigung bis zur Bahnhofsmitte ist auch nicht gerade einfach und entsprechend gemächlich geht es vorwärts. Auf Gleis 3 steht der verspätete CB 67077 mit 2x 218 an der Spitze, der hier unsere Vorbeifahrt abwarten muß. Seine letzten Wagen blockieren den Übergang Grünewaldstraße, sodaß Radfahrer und Fußgänger sich schon etliche Minuten gedulden müssen, ein Zustand, der hier durchaus öfters vorkommt. Unser Zug hat mittlerweile das Stellwerk GS passiert und darf nun vor der Abzweigung Lünischteich einmal mehr halten: Die sich nun anschließende Strecke Richtung Rangierbahnhof kreuzt nach einigen hundert Metern die Hauptbahn Braunschweig - Helmstedt höhengleich, sodaß erst eine Lücke in der dichten Zugfolge auf dieser Strecke abgewartet werden muß. Dann aber rollen wir in den Rangierbahnhof ein und kommen mit nur wenig Verspätung am Ende des Einfahrgleises zum Stehen. Es folgt das Abkuppeln der Lok, das Vorziehen in die ehem. Einfahrgruppe und die Fahrt über die Steilrampe direkt hinunter in den Bereich des Betriebshofes.
Das war also noch einmal die Schuntertalbahn: Es war für uns die letzte Fahrt, zumindest aus der Führerstandsperspektive. Die Züge nach Fallersleben nutzen heute die "Weddeler Schleife" und müssen in Lehre gelegentlich immer noch warten, nun aber im neuen Betriebsbahnhof. Und auch die Steigung Fallersleben - Ehmen gibt es immer noch. Mit einer E-Lok ist es aber schon um einiges einfacher...

Die folgenden Bilder sind dem Video entnommen und haben daher nur mäßige Qualität


Schwere Bergfahrt mit 2x 218: Auf der Verbindungsbahn zwischen Bw und Hbf Braunschweig.

1998 war noch die Ausfahrt aus den Gleisen 3 und 4 in Richtung Gliesmarode möglich, nach dem Umbau auf ESTW-Technik ist dies auf die Gleise 1 und 2 beschränkt.
Durchfahrt in Gliesmarode, Gleis 1 Einfahrt Braunschweig Ost
Durchfahrt Braunschweig Ost Die Ausfahrsignale in Braunschweig Ost in Richtung Lehre stehen auch nach dem Rückbau der Bahnanlagen noch!
Der ehemalige Bahnhof Dibbesdorf-Hondelage Die Schunterbrücke zwischen Hondelage und Wendhausen
Nach der bisher unterbrechungsfreien Fahrt herrscht in Lehre "schwierige Betriebslage": Zunächst Halt vor Signal R11... ... aus Fallersleben kommend fährt GC 59351 nach Gleis 5 ein...
... danach werden die beiden Loks ebenfalls nach Gleis 5 umgesetzt. Nach kurzer Zeit kommt dann RB 3875 Braunschweig - Wolfsburg auf Gleis 11 vorbei... ...und schließlich RB 3874 in Gegenrichtung.
Es kann weitergehen! :-) Durchfahrt in Ehmen, dieser Bahnhof wurde ein Jahr zuvor zurückgebaut.
Am Abzweig Sülfeld wartet schon der nächste Zug auf die Fahrt Richtung Braunschweig! Im Werksbahnhof der VW-AG geht es in langsamer Fahrt am Ablaufberg vorbei zum bereitstehenden Zug.
Kurz vor der Rückfahrt. Die beiden abgestellten Werkslokomotiven am rechten Bildrand befinden sich heute beim VBV (Verein Braunschweiger Verkehrsfreunde). Mit höchster Fahrtstufe überqueren wir auf der Steigung Richtung Sülfeld - Ehmen die Hauptstrecke Berlin - Wolfsburg - Hannover.
Die Bauweiche auf die Neubaustrecke "Weddeler Schleife" nördlich von Brunsrode, hier geht es heute nur noch im sanften Bogen nach links. Durchfahrt Lehre mit 40km/h
RB 3489 fährt in Lehre ein, danach ist die Strecke Richtung Braunschweig frei. Halt an der Einfahrt Gliesmarode, RB 96628 nach Wittingen hat Vorfahrt!
Und nach 100m gleich die nächste Zugbegegnung: CB 67077 wartet am Signal F auf die Ausfahrt Richtung Fallersleben. Die Südausfahrt Gliesmarode mit den Signalen L,M,N und Stellwerk Gs.
Fast ein kleiner Tunnel: Die Brücke Ebertallee, das Signal zeigt Hp2 für die Abzweigstelle Lünischteich... ... die gleich hinter dieser Brücke liegt. Geradeaus geht es zum Hbf, links zum Rbf.
Nach nur wenigen hundert Metern folgt die höhengleiche Kreuzung mit der Hauptstrecke Braunschweig - Helmstedt (Abzw. Schmiedekamp)... ... und bald darauf die Einfahrt in den Rangierbahnhof Braunschweig!

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Stand der Bearbeitung 21.05.09